PACIFIC CREST TRAIL: Höhenkrank und Aufstieg zum Pinchot Pass
Am Morgen weckt uns die Sonne. Ich fülle am Bach meinen 2-Liter-Wassersack und unseren Kochtopf mit Wasser auf. Wir kochen uns mit dem Gaskocher Tee und rühren etwas Milchpulver mit dem Wasser für unser Müsli auf. Davon knapp eine Hand voll. Zu Hause hatte ich bereits unser Proviant als Tagesportionen in kleine Tüten abgefüllt. Für jeden noch eine kleine Scheibe Vollkornbrot und ein Stück Käse in der Größe eines Spielwürfels. Alex hat sichtlich noch Hunger. Und wir haben heute Einiges vor: den Aufstieg zum Pinchot Pass!
Wir brechen vom Upper Paradise Valley Campground (2.100 m) auf.
Es wird schnell wärmer. Die Vegetation ist dicht und dampfig. Tausende von schwarzen Minifliegen umschwirren mich. Damit ich sie nicht einatme oder sie mir in die Ohren krabbeln umwickle ich meinen Kopf mit einem Tuch und schwitze noch mehr. Sehr lästig!
Der Weg wird immer unscheinbarer. Wir müssen einige Male Zuläufe des Woods Creek überqueren. Alex balanciert über einen dicken Baumstamm. Ich versuche es ebenfalls. Doch als ich unter mir das sprudelnde Wasser sehe werden meine Knie weich. Ich dürfe ja nicht nach unten sehen! Zitternd setze ich mich auf den Stamm und rutsche Stück für Stück langsam hinüber. Der schwere Rucksack lastet ja schließlich auch noch auf mir! Puhhh…
schwierige Bachquerungen
Das nächste Mal müssen wir den Bach durchwaten. Ist auch nicht einfacher! Meine nackten Füße finden zwischen den runden Kieseln in der Strömung schwer Halt. Und ich habe Panik, dass mein ganzes Gepäck nass werden könnte, wenn ich das Gleichgewicht verlöre.
An manchen Stellen laufen wir ein paar Mal am Ufer rauf und runter bis wir eine passable Stelle zum über- oder durchqueren von solch Bächen gefunden haben.
Dann haben wir oberhalb von den Twin Lakes die Baumgrenze erreicht. Es gibt einen Müsliriegel zu Mittag und etwas Schokolade. Und wir müssen uns wärmer anziehen. Der Pfad wird immer steiler und mühsamer. Über zahlreiche Serpentinen steigt er den steilen felsigen Hang zum Pichot Pass hinauf. Die Sonne brennt herunter. Zum Glück haben wir unsere Teleskopstöcke dabei. Sie stabilisieren und stützen beim Antreten mit solch großem Gewicht am Buckel.
Mit letzter Kraft über den Pinchot Pass
Je höher wir kommen desto langsamer werden unsere Schritte. Sogar Alex keucht und muss nach ein paar Metern immer wieder stehen bleiben um tief Luft zu holen. Dann sinkt er auf den Boden und schaut mich ungläubig an: „Ich kann grad nicht mehr…!“
Alex?!? Wir starren uns an… Alex hatte ja vor kurzem beschlossen sich nun ganz und 100 Prozent dem Taekwon-Do zu widmen. Er war gerade von einem Trainingscamp und Taekwon-Do Veranstaltungen in New York und Florida gekommen. Sein Leitsatz war „Never ever quit! – Gib niemals auf„… Hier nun, kurz unterhalb des Pinchot-Passes stösst er an seine Grenzen. Ihm ist schwindelig, übel und er hat heftige Kopfschmerzen. Mir zittern zwar die Knie, aber so fertig bin ich noch nicht. Ich setze mich zu ihm und wir trinken erst einmal. Auch gönnen wir uns noch einen Müsliriegel, der eigentlich schon für einen der nächsten Tage gedacht war.
Hm, wie hoch werden wir nun wohl gerade sein? Auf der Karte lese ich, dass der Pinchot Pass 12.113 Feet hoch sei. Mist… weder ich noch Alex wissen wieviel Meter das nun genau sind.
ungesunde Höhen
Wir schleppen uns langsam weiter. Alex teils auf allen Vieren. Gefühlt eine Ewigkeit später erreiche ich als Erste die Passhöhe. Ein eisiger Wind bläst mir entgegen.
Ich muss zugeben, ich hatte mich bei der Planung verrechnet. Mir war damals nicht klar, dass wir hier bis auf knapp 4.000 Metern steigen werden und auch in der Folge immer in Höhen zwischen 2.500 und 3.500 Metern wandern würden. Alex war wohl etwas höhenkrank, was uns jedoch nicht bewusst war.
Wir suchen uns ein etwas windgeschütztes Plätzchen und lassen unseren Körper nach der Anstrengung zur Ruhe kommen. Das Panorama ist gigantisch. Da reihen sich rundherum die teils schneebedeckten Granitgipfel der Sierra Nevada. Vielleicht sehen wir ja im Süden sogar den Mount Whitney, den mit 4.421 m höchsten Berg der USA (Alaska ausgeschlossen)!?
Die Tage sind im Juni zwar lang, doch nun ist es schon spät. Bald würde die Sonne untergehen. Und wir brauchen noch einen Platz für unser Zelt. Wir steigen weglos bis zu dem kleinen See unterhalb des Pincho Passes ab. Zwischen den Felsbrocken finden wir eine einigermaßen ebene kleine Fläche und bauen rasch das Zelt auf. Wieder eine Kraftanstrengung in der Höhe!
In dieser Höhe finden wir auch kein Holz für ein Feuer. Frierend kochen wir uns eine Fertigsuppe, essen die Vollkornbrotration und den Käse einer der nächsten Tage und verkriechen uns ins Zelt. Hier oben wird es hoffentlich auch keine Bären geben. Wir wüssten nicht, wo wir unser Proviant verstecken sollten. In der Nacht habe auch ich Kopfweh und schlafe sehr schlecht. Immer wieder schütteln mich Krämpfe wach. Symptome der Höhenkrankheit…?
Wir sind an diesem Tag 22 Kilometer gegangen, sind 1.600 Höhenmeter aufgestiegen, und 300 Höhenmeter hinunter. Eigentlich kein Wunder dass wir so fertig sind…
Fortsetzung:
über die Golden Staircase auf den Mather Pass