Heimliche Apfelernte: Loders Siaßlinge
Eine schöne Zeit, Anfang der fünfziger Jahre. Ob es Frühherbst war oder später, das weiß ich nicht mehr. Es war Hütezeit und wir Dorfbuben betreuten die Kühe auf der Weide, denn Weidezäune kannte damals noch kein Rindvieh und wir auch nicht.
Jeder von uns wusste: Die besten Äpfel gibt es ca. 500 Meter entfernt, im Garten vom Loder, einem Kleinhäusler. Gelbe, kleine, sehr süß schmeckende Äpfel. Eine Abordnung von drei Mann wurde von der Weide weg entsandt um diese Leckerbissen zu beschaffen. Der Megerle Franzi, der Pfeiffer Luggi und ich. Wir kannten die Gefahr und der Loder kannte uns Buben auch.
Den Lattenzaun hatten wir schnell überklettert. Einer von uns bestieg den Baum und schüttelte mehrfach kräftig. Die anderen Zwei füllten die mitgebrachte Tasche. Wir waren soeben dabei, uns noch einige Siaßlinge in die Hosentaschen zu stecken, da ertönte der Schrei: Hob i eich jetzt, ihr Hundsbuam!
Hören und rennen war eins, denn der Ochsenfiesel (Ochsenziemer) des Kleinbauern war in unseren Kreisen gefürchtet. Schnell waren wir auf dem Zaun, und Luggi und mir gelang der rettende Absprung, wobei jedoch die Hälfte der Äpfel verloren ging. Der Franzi jedoch hatte weniger Glück. Er blieb mit seinen Schuhe oben, zwischen den Zaunlatten stecken. Als der Loder in Reichweite kam versuchte er den Absprung nochmals mit aller Kraft, die Angst verleihen kann und diesmal gelang er, wobei er aber nicht mit den Füßen zuerst den Wiesenboden berührte, sondern mit den Handrücken. Am Aufstöhnen konnten wir es hören, dass die Flucht nicht reibungslos verlaufen war.
Glück im Unglück
Hinter ein paar Büschen trafen wir uns. Beide Handgelenke waren so gestaucht, dass unser Kamerad vier Wochen in der Schule nicht mitschreiben konnte. Ich weiß nicht mehr, welche Gründe dem Lehrer für diesen Unfall angegeben wurden, von Loders Siaßlingen war jedoch sicher nicht die Rede. Unser anfängliches Mitleid mit Franzi schlug bald in Neid um, denn er war auch von den Hausaufgaben befreit. Auch zu Hause konnte ihn die Mutter nicht so einspannen, wie es üblich war. Trotzdem, die Äpfel schmeckten herrlich.
Übrigens: Ein Ochsenziemer ist eine Art Peitsche, die aus einem gedörrten Ochsenpenis hergestellt wurde!
Ludwig Koschier
Ludwig erzählt
Das könnte Dich auch noch interessieren:
- Das rote Rennrad und die Freiheit
- Persönliche Herausforderungen
- Lachen… nicht nur gegen den Winterblues
- Lebenskunst