Wenn das Handy an einem Traumtag den Dienst versagt… Kampenwand

Wenn das Handy an einem Traumtag den Dienst versagt… Kampenwand

Es war fast wie eine Erscheinung. Vor ein paar Tagen hatten die schneeschweren Wolken nach längerer Zeit einen Blick nach Osten freigegeben. Und da strahlte aus dem dunklen Grau die Kampenwand unnatürlich weiß hervor.

Heute in der Früh dann stahlblauer Himmel. Ich musste sofort an die Kampenwand denken. Schnell packe ich meine Sachen zusammen, suche mir die nächste Zugverbindung heraus und radle zum Bahnhof.

Im Zug fällt mir auf, dass ich meine Fotokamera vergessen hatte. Ich schau auf mein Handy. Noch 100 Prozent Akku! Das macht ja auch ganz brauchbare Fotos…

Wenn das Handy an einem Traumtag den Dienst versagt... Kampenwand

Auf der Fahrt von Prien am Chiemsee nach Aschau mit der gemütlichen Südostbayern-Bahn sehe ich bereits hoch oben die Kampenwand wie eine weiße Kristallwand aufragen. Mein Puls geht schneller. Wie nah werde ich ihr wohl heute kommen können? Es hatte die letzten Tage ja extrem viel geschneit.

Ich wandere die inoffizielle Rodelbahn vom Ortsteil Kohlstatt zur Maisalm hinauf. Ich freue mich. Der Forstweg längs des Lochgraben ist zwar nicht geräumt, aber eine Abfahrt mit meiner Minirodel in der breitgetretenen Spur wird wohl später möglich sein.

Wenn das Handy an einem Traumtag den Dienst versagt... Kampenwand

Nach der Maisalm biege ich rechts in die breite Forststraße Richtung Kampenwand und Steinlingalm. Dicke Traktorspuren im Tiefschnee. Da sehe ich eine hübsche schmale Fußspur, die links in den Wald hineinführt und mich magisch anzieht. Wie einst Goethe mag ich eher keine glatten, gewöhnlichen Wege, da dort meist nicht das Außergewöhnliche geschieht…

Ich teste die Spur ein paar Meter. Die dicke Harschschicht scheint mich gut zu tragen. Also setze ich meinen Weg mal wieder auf dem einsamen, steileren Sommerweg fort. Siehe Abenteuer Neureuth

Wenn das Handy an einem Traumtag den Dienst versagt... Kampenwand

Je höher ich nun zur vorgelagerten Gedererwand hinaufsteige desto mulmiger wird mir aber. Keine Menschenseele. Und sooooo viel Schnee! Wenn der an den steilen Hängen in Bewegung gerät, bin ich verloren. Und keiner findet mich erst einmal –

Ich bete zu den Berg- und Lawinengeistern, dass sie mich verschonen mögen. Und keuchend und glücklich komme ich am Roßboden oben an.

Wenn das Handy an einem Traumtag den Dienst versagt... Kampenwand

Nun müsste ich nur noch ohne viel Anstrengung auf gleicher Höhe um einen Hang herum, um dann direkt unter die wunderweiße Kampenwand zu gelangen. Doch da endet die Spur. Sobald ich neben die Spur trete, sinke ich bis übers Knie im Tiefschnee ein.

Eine Skitourenspur steigt am Hang des Sultenberges hinauf, der mir den Blick auf die magische Kampenwand verstellt. Also muss ich wohl da hinauf. Auf dieser Hangseite ist der Schnee windgepresst und wie mit einer Eisschicht überzogen. Ich haue mir bei jedem Schritt Stufen mit der Schuhkappe in die Eisschicht um Halt zu gewinnen. Das ist soooo anstrengend. Aber ich male mir die Bilder der Kampenwand aus, und diese Visionen geben mir Kraft.

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Auf dem Sulten

Dann habe ich es geschafft! Hinter dem Gipfelkreuz des Sulten ragen wie mit Zuckerguss übergossen die vereisten Felswände der Kampenwand auf. Rundherum glänzen Gipfel an Gipfel im Sonnenlicht. Und in meinem Rücken spiegelt sich der stahlblaue Himmel im Wasser des Chiemsees….

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Ein Traumtag!

Sobald sich mein Atem beruhigt hat krame ich mein Handy hervor. Es piepst leise. Rot steht da zu lesen: Achtung! Nur noch 15 % Akkuleistung. Dann wird der Bildschirm schwarz. Ich starre ungläubig auf das Teil. Dann halte ich es schnell noch blind vor die Berge und drücke in jede Himmelsrichtung einmal ab.

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Ich kann es nicht fassen. Das kann doch jetzt nicht sein! Ich bin stinksauer. Da quäle ich mich den ganzen Weg hier herauf um tolle Fotos zu schießen, dann wagt es dieses blöde Handy mir den Dienst zu verweigern! Ich überlege fieberhaft warum sich der Akku plötzlich so schnell hat entleeren können, warum ich meine Kamera daheim vergessen habe, und warum extra heute…

Dann hole ich tief Luft, suche mir eine windgeschützte Stelle. Setze mich auf meine Rodel und beginne zu Schauen.

Die Kampenwand ohne Handy

Ich bemerke wie ich ohne Kamera oder Handy viel ruhiger werde und intensiver geniessen kann. Ansonsten fällt mir stets immer ein Motiv beim Schauen auf, das mich aufspringen lässt um es einzufangen. Nun sitze ich völlig entspannt auf meiner Rodel und lasse mich von dem fantastischen Panorama verzaubern.

Mir fallen Skitourengeher auf, die sich gegenüber den steilen Hang zu den Felsen hinaufkämpfen. Sie verschwinden in den Kaisersälen, einer zerklüfteten Schlucht innerhalb der Felsenkrone der Kampenwand. Wie muss es da jetzt aussehen? Da ein starker Sturmwind die Felstürme in Schnee und Eis verpackt zu haben scheint. Hätte ich meine Kamera dabei, hätte ich es wahrscheinlich auch versucht dahin zu gelangen. Wahrscheinlich wäre das keine so gute Idee gewesen. Nun aber bleibe ich ganz entspannt sitzen, genieße die Sonne im Gesicht und beobachte wie die Beiden weiter, sogar noch den Klettersteig bis zum Gipfelkreuz hinaufklettern.

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Nach einer Stunde wird mir kalt und ich breche vom Gipfel auf um Richtung Süden zur inoffiziellen Rodelbahn von der Steinlingalm zu gelangen. Ich hatte mir überlegt einfach mit der Rodel hinunter zu gleiten. Doch das stellt sich als unmöglich heraus. Der ganze Bergrücken ist mit dieser spiegelglatten Eisschicht überzogen. Wie wenn ein Riese einen mächtigen Eimer Wasser darüber ausgekippt hätte. Bereits nach wenigen Schritten zieht es mir die Füße unter den Beinen weg und ich knalle auf den Boden. Ich würde weder lenken noch bremsen können.

Also schlage ich mir vorsichtig mit meinen Fersen eine anstrengende Trittspur hinunter.

Die Rodelabfahrt dann zurück zur Maisalm in den Traktorspuren war nicht berauschend. Von der Maisalm hinunter nach Aschau ging ganz gut.

Und die wenigen Fotos… sind ja doch noch brauchbar geworden 😉

Start- und Zielbahnhof: Aschau (Chiemgau) 615 m

Aufstieg: 2 1/2 Stunden  ♥  Abstieg: 90 Minuten  ♥  Höhenmeter: 860 m  ♥   max. Höhe: 1.472 m

Einkehren: Mais-Alm, Steinlingalm

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