Alleine in der Mongolei: zum Tal der Schildkröte – 2.Tag
Halb sieben. Die Dame an der Rezeption erklärt mir den Weg zur Bushaltestelle. Da steht zwar ein Wartehäuschen mit viel Werbung dran, aber keinen Busfahrplänen. Ich stell mich zu den Bauarbeitern, die mich verstohlen betrachten. Meine blonden Haare!
Ständig halten Busse, große und kleine, Privatautos. Und hier ist jeder ein potentieller Taxifahrer. Schreien und winken nach Kundschaft. Endlich kommt auch ein Bus der Linie 11. Ich spreche den Busfahrer an, ob er zum Airport fahre und breite brummend meine Arme aus… und wegen eines Tickets… Er schaut mich verständnislos an, und winkt mich weiter. Ach wenn ich wenigstens Russisch könnte…dann könnte ich zumindest die kyrillischen Straßen-, Orts- und Namensschilder entziffern! Hier sprechen oder verstehen ja die wenigsten Menschen Englisch.
Ich setze mich hin und spüre alle Blicke auf mir. Nach einer viertel Stunde kommt eine Frau mit einer Schürze, wie früher meine Großmutter trug, und gestikuliert. Aha! Die Schaffnerin. Das Ticket kostet bei Stadtbussen 500 Turik (25 Cent) egal wie weit man fährt.
Der Bus hält nicht direkt am Flughafen, der etwa 20 Kilometer außerhalb von UlaanBaatar liegt. Zwischen den Wohnblocks der Außenbezirke sind die Straßen nicht mehr asphaltiert . Die Menschen machen einen verwahrlosteren Eindruck. Mit ein wenig mulmigem Gefühl geh ich die Straße hinunter, und über eine große Wiese auf das Flughafengebäude zu.
Meine Tasche kommt mit der 8 Uhr-Maschine. Bin ich erleichtert! Wegen der schweren Tasche nehme ich ein Taxi zurück in die Stadt. Es ist halb zehn und ich erhalte noch Frühstück im Hotel. Danach packe ich meinen Rucksack um und kann die Reisetasche mit den Dingen, die ich während meiner geplanten Wanderung nicht brauche, im Hotel deponieren. Trotzdem ist der Rucksack schwer…so schwer. Wohl über 25 kg, da noch die Gaskartusche und ein 2-Liter Wassersack hinzugekommen sind.
Die ersten zwei Kilometer liegen vor mir, zur Bushaltestelle der Überlandbusse. Puhhh…
An dem Bushäuschen stehen bereits ein paar junge Frauen mit kleineren Trekkingrucksäcken. Wir plaudern kurz miteinander. Sie sprechen Englisch und kommen aus Südkorea, China und Japan.
Ein Bus wie aus den 70er Jahren kommt. Ich habe mir vorsorglich an der Rezeption die kyrillischen Buchstaben für Terelj aufschreiben lassen, meinem Zielort, der Endhaltestelle. Wir fahren zwei Stunden. Auch hier kassiert eine Schaffnerin mit Schürze nach einer halben Stunde alle Insassen ab: 2.500 Turik (1,25 Euro), egal wie weit man fährt.
Nach der Hauptstraße, durch die Innenstadt der Millionenstadt UlaanBaatar, gibt der Busfahrer Gas und fährt in einem Affenzahn über die teils unasphaltierten Landstraßen. Wilde Überholmanöver unter Dauergehupe. Schon bald nach der City weichen die Hochhäuser und Wohnblocks einem wilden Gemisch aus Blockhütten, Bretterbuden und traditionellen Gers, den mongolischen Jurten. Alle mit einem hohen Bretterzaun um das kleine Grundstück auf dem sie stehen. Dazwischen Matschwege.
Ob wohl all diese Grundstücke Strom- und Wasseranschluss haben? Oder eine Postadresse?Die letzten Kilometer fährt der Bus langsamer. Tiefe Löcher in der Piste lassen ihn gefährlich schwanken.
Ich steige intuitiv noch vor Terelj bei einem riesigen Felsen aus. Daneben sind Jurten-Ansammlungen und ein etwas größeres Jurten-Gebäude. Ein junger Mongole spricht ein paar Brocken Englisch. Es stellt sich heraus, dass das eine Art Gasthaus ist und man sich wie bei einer Pension eine Jurte über Nacht mieten kann.
Ich nehme Jurte Nummer 7 für zwei Nächte, um erst einmal zu akklimatisieren. Sie hat einen kleinen Türstock mit Türe wie für Zwerge, ist kreisrund, aus einem buntbemalten Scherengitter, in dem die dünnen Dachsparren aufliegen und einem radförmigen Dachauge auf zwei Stützen in der Mitte. Durch dessen eine Öffnung ragt das Ofenrohr des kleinen Holzofens. Bei Regen regnet es also herein. Dieses Gestell umgibt eine Schicht aus Schafwolle, eine riesige Plane und zum Schluss ein weißer Stoff, der mit Gurten und Seilen festgezurrt wird. Im Inneren noch zwei Betten und eine Glühbirne nebst Steckdose, die vom Dach hängen.
Ich erkunde die Gegend. Das Tal der Schildkröte, so heißt der Riesenfelsen in Talmitte, ist mit lichtem Kiefern-, Lärchen- und Birkenwald durchzogen, grünen Wiesen und umgeben von orange-gelben Granitfelsen. Ein Adler überfliegt das Tal. Ich klettere zum Turtle-Rock hinauf und hinterlasse an dem dort aufgeschichteten Owo, einem Steinhaufen, der in der Mongolei einen heiligen Platz markiert, einen Glückspfennig.
Mir fallen die Felsen gegenüber ins Auge und ich beschließe dorthin zu wandern. Durch bunte Almwiesen und Birkenwäldchen suche ich selbst meinen Weg bergauf. Wunderschön!
Oben auf den Felsen schaue ich auf „meine“ Jurte steil unter mir, den Schildkrötenfelsen und das Tal entlang, wo sich Felstürme an Felstürme reihen. Die Abendsonne lässt das Orange noch schöner strahlen. Am Talende entdecke ich einen Tempel, der wie in die Felswand hineingebaut aussieht. Darüber sind die Felsen mit buddhistischen Symbolen bemalt. Da möchte ich am nächsten Tag gerne hin.
Am Abend gehe ich in das Jurten-Gasthaus. Es stehen ein paar Tische drin. Ich bin der einzige Gast. Ein Mongole sitzt an einem der Tische, schneidet mit einer Schere Papierservierten in 4 Teile und faltet sie um jeweils eine Gabel. Er sieht mich an, lächelt. Ich setze mich und warte.
Neben dem Tresen steht ein Kühlschrank mit Bierdosen. Nach einer viertel Stunde gehe ich zum Kühlschrank und hole mir eine Dose Altan-Gobi Bier…Okay!? …frage ich. Da steht er auf und gestikuliert über den freien Plätzen an meinem Tisch. Achja! Ich bin ja ungewöhnlich allein! Sehr schnell erhalte ich nun etwas zu Essen, nachdem ich ihm in bestimmt lustiger Weise klargemacht habe, dass ich Vegetarierin bin. Sojanudeln mit Karotten- und Zucchinigemüse, lecker gewürzt. Das Bier schmeckt klasse. Im Durchgang zur Küche erscheinen zwei Frauengesichter, mustern mich neugierig und winken mir zu.
Ich spaziere noch ein wenig um die Jurten. Doch sobald die Sonne weg ist wird es augenblicklich kalt.
3.Tag: zum Felsentempel
mein Reisebericht:
- Vorbereitungen
- 1.Tag: Ulaanbaatar
- 2.Tag: zum Tal der Schildkröte
- 3.Tag: zum Felsentempel
- 4.Tag: nach Terelj
- 5.Tag: und immer wieder durch den Fluss
- 6.Tag: immer wieder Regen
- 7.Tag: Gipfelsturm
- 8.Tag: Gefährliche Begegnung
- 9.Tag: Wunder-Wiesen-Welt
- 10.Tag: Reiter im Regen
- 11.Tag: der magische Felsen
- 12.Tag: Magic Mountain
- 13.Tag: vom Unwetter vertrieben
- 14.Tag: zur größten Statue der Welt
- 15.Tag: Schwarzmarkt und Feuerwerk
- letztes Abenteuer am Flughafen
- Fazit: zur Nachahmung empfohlen!
- Bei Schamanen in der Mongolei