Allein in der Mongolei: Mein Gipfelsturm auf den Asralt – 7.Tag
In der Nacht habe ich trotz Daunenschlafsack gefroren. Die Kälte treibt mich auf: halb sechs! …Gipfelsturm auf den Asralt! Draußen ist es wolkenverhangen. Ich packe ein paar Müsliriegel, Fotoapparat und GPS-Gerät in meine kleine Umhängetasche und befestige daran noch den Wassersack. Die nassen Bergschuhe binde ich an jeweils einen Wanderstock und ziehe die feuchten Sandalen an.
Ich friere, will mich bewegen und starte ohne Frühstück. Keine 100 Meter weiter ein ekliges Altwasserloch, umgeben von Gestrüpp. Ich suche nach einem Weg für mich außen herum und gelange an eine moorastige Wiese. Vorsichtig balanciere ich über die Grasschollen und stehe doch bald knöcheltief im Sumpf. An der Hangkante geht es mühsam weiter über Geröllbrocken bis ich wieder Wegspuren entdecke. Ich folge ein paar Kilometer bis ich an den Fluss komme. Seitlich führt ein Steig scheinbar am Steilufer entlang weiter. Es ist ein netter schmaler Steig der jedoch bei einem kleinen Ovoo endet:
Ein Ovoo besteht aus einem größeren Steinhaufen. In der Frühgeschichte wurden darin Reliquien verwahrt. Ein senkrechtes Element, meist ein Stab oder Pfahl, stellt die Verbindung zum Zentrum des Universums dar und ist meist mit bunten Gebetstüchern umwickelt. Nach schamanischer wie lamaistischer Tradition bringt es Glück, einen Ovoo dreimal im Uhrzeigerkreis zu umrunden und dabei an seine Wünsche zu denken. Zusätzlich legt man eine Opfergabe oben auf den Ovoo, oder einen besonderen Stein oder besprüht ihn mit Milch (Reinheit), Wasser (Lebenselixier) und/oder Wodka (Reinigung). Also umrunde ich ihn dreimal und denke an den Gipfel und an Sonne…
Eine große Steinplatte liegt daneben in der ein paar Namen eingeritzt sind. Mit meinem Taschenmesser ritze ich meinen dazu. Ich meine in der Ferne den Gipfel des Asralt ausmachen zu können.
Ich schlage mich mal wieder durch mannshohes Buschwerk. Ohne Rucksack fällt es zwar erheblich leichter, jedoch hat der Boden immer wieder tiefe Löcher in die ich einbreche. Endlich entdecke ich wieder Pfadspuren und es geht zügig dahin. Vom Zelt sind es gute 20 Kilometer bis zum Berg. Soweit es geht, versuche ich schnell zu gehen. Nach zwei Stunden komme ich wieder an den Fluss, der nun zum Gebirgsbach geworden ist. Er mäandriert hier so weitläufig dass ich teils in seinem Bett, im Wasser vorwärts gehen muss. Innerlich bete ich um Sonne…. Mir ist so kalt!!!
Wie ein Wunder erscheint plötzlich ein Fitzelchen blau am grauen Himmel. Nach etlichen Querungen führt mein Weg trocken weiter und die Wolken werden lichter. Ich gelange sogar an Fahrspuren, von Ochsenkarren, wahrscheinlich. Sie führen scheinbar weiter zu einem Pass.
Ich aber bin am Fuße des Asralt Khairkhan angelangt. Nach einer kurzen Rast ziehe ich die Wanderschuhe an, sie sind fast trocken geworden. Ich suche nach Wegspuren und, da ich keine finden kann, selbst einen Weg bergauf. Riesige Schottermuren ziehen den Berg hinunter. Dazwischen Zonen mit knorrigen Bäumen und Moosflächen. Weiter oben liegen mir unzählige umgestürzte Baumriesen wie ein Hindernisparcours im Weg. Ich versuche meinen Weg möglichst intelligent und kraftsparend zu wählen. Über der Baumgrenze gibt es nur noch Halden großer Gesteinsbrocken. Ich muss konzentriert steigen um nicht umzuknicken oder einen Trittstein zu lösen. Wenn ich mich hier verletzen sollte findet mich, wenn überhaupt, so schnell keiner.
Es bläst ein kräftiger Wind, der die Wolken fortschiebt. Es ist wunderbar sonnig!
Mittags bin ich oben. Ich lasse einen Brüller los, die Anspannung raus, schreie und breche haltlos in Tränen aus. Geschafft, geschafft,
geschafft! Und… ganz allein!!!
Bis hierher hatte ich kaum nachgedacht, habe einfach funktioniert. Nun brechen die Gedanken über mich herein. Während ich da oben sitze und rundherum unter mir die runden Berge des Khentee betrachte, vielleicht bis hinüber nach Sibirien schaue, mit dem Bewusstsein dass in allen Richtungen erst einmal niemand Anderer ist…fange ich immer wieder zu Schluchzen an.
Weil das so Großartig ist! Und weil ich eigentlich nicht damit gerechnet hatte, wirklich bis hier oben zu kommen.
Ich bin überglücklich.
Ich baue meinen eigenen kleinen Steinhaufen und binde meine mitgebrachte hellblaue Schleife an einen größeren Stein und tausche einen kleinen Gipfel-Stein gegen einen aus, den ich extra von der Ramboldplatte, meinem Lieblings-Voralpenberg, mitgebracht habe.
Der Wind bläst heftig. Langsam kriecht die Kälte wieder in mir hoch. Nur schwer kann ich mich überwinden wieder aufzubrechen. Es ist so wunderwunderschön hier! Und was für ein Abenteuer! Mein Abenteuer! Mein persönlicher „Everest“!
Langsam steige ich wieder ab. Zum Glück habe ich das GPS. Ich hätte sonst nicht den richtigen Talfuß gefunden. Es sieht hier alles so ähnlich aus. Ich habe immer wieder schluchzen müssen… das war es jetzt.
Wer weiß ob ich so etwas je wieder machen werde!?
Unten komme ich wieder auf den Fahrweg. Ich stutze. Da sind Spuren, große Spuren, die zuvor nicht da waren. Ein Bär! Ich schaue mich um. Es ist still, nichts regt sich. Hm, ich hab auch keine Angst. Also gehe ich einfach weiter,… zurück.
Es geht viel leichter. Erstens ist es sonnig und warm, zweitens merke ich, was ich alles, allmählich, aber doch, bergauf gegangen bin. Immer wieder drehe ich mich um und blicke versonnen auf den Gipfel des Asralt, meinem „Everest“, der nun in der Sonne strahlt. Auch fallen mir jetzt Details auf, ich habe nun Augen für die Schönheit von Blumen, Pflanzen und Steinen.
Ich bin so dankbar, dass mir das glücken durfte und ich dabei unverletzt und gesund bin. Gegen 18 Uhr erreiche ich froh mein Zelt, das mir schon von weitem grün entgegen strahlt. Ich hole Wasser, koche mir Nudeln und bleibe dann einfach nur liegen.
Ich bin heute an die 50 Kilometer gegangen, musste dabei größtenteils meinen Weg selbst suchen und habe dabei auch 900 Höhenmeter überwunden…
Nun kann ich loslassen…
8. Tag: Gefährliche Begegnung
mein Reisebericht:
- Vorbereitungen
- 1.Tag: Ulaanbaatar
- 2.Tag: zum Tal der Schildkröte
- 3.Tag: zum Felsentempel
- 4.Tag: nach Terelj
- 5.Tag: und immer wieder durch den Fluss
- 6.Tag: immer wieder Regen
- 7.Tag: Gipfelsturm
- 8.Tag: Gefährliche Begegnung
- 9.Tag: Wunder-Wiesen-Welt
- 10.Tag: Reiter im Regen
- 11.Tag: der magische Felsen
- 12.Tag: Magic Mountain
- 13.Tag: vom Unwetter vertrieben
- 14.Tag: zur größten Statue der Welt
- 15.Tag: Schwarzmarkt und Feuerwerk
- letztes Abenteuer am Flughafen
- Fazit: zur Nachahmung empfohlen!
- Bei Schamanen in der Mongolei