Allein in der Mongolei: und immer wieder Regen – 6.Tag
Dicke Wolken hängen tief. Sollte ich das Zelt lieber gleich zusammenpacken? Während ich überlege fängt es schon zu regnen an. Ich koche mir im kleinen Vorzelt erst einmal eine Suppe zum Frühstück.
In einer Regenpause baue ich das nasse Zelt ab und schultere meinen Rucksack. Ich zögere… umkehren oder weiter? Ich schwanke förmlich, von einem Fuß auf den anderen…
ich gebe mir einen Ruck, Richtung Nordwesten, weiter.
Es geht zügig dahin. Ich folge dem schmalen Pferdetrail der von der Koppel das Tal hinauf führt, durch blühende Wiesen. Es nieselt immer wieder.
Nach ein paar Stunden komme ich an den Tereljiin und muss ihn wieder einmal queren. Auf der anderen Seite versuche ich die Schuhe auszuwringen. Es wird immer düsterer. Weit und breit kaum Bäume. Nur sumpfiges Gelände mit ein paar Büschen. Das Tal macht hier einen leichten Knick, danach fließt der Fluss wieder dicht an Felsen entlang. Ich entdecke einen einsamen Lärchenbaum und flüchte mich darunter, da beginnt es auch schon zu schütten.
Ich schau auf mein GPS-Gerät. Hier habe ich also schon knapp 50 Kilometer Luftlinie geschafft. 35 Kilometer liegen noch vor mir, und der Gipfelanstieg von 800 Höhenmetern. Der Tereljiin entspringt am Asralt Khairkhan, dem höchsten Berg des Khentee, einem Gebirge das sich nördlich von UlaanBaatar bis an die Russische Grenze und darüber hinaus erstreckt. Hier wurde Dschinggis Khan geboren, und wahrscheinlich auch begraben. Sein Grab wurde bis heute nicht gefunden. Diesen heiligen Berg habe ich mir als Ziel ausgesucht, 2799 m hoch. Mit dem schweren Gepäck und der Suche nach einem gangbaren Weg brauche ich doppelt so lange wie bei meinen üblichen Wanderungen zu Hause. Ich denke immer wieder an die früheren Forscher und Entdecker und habe nun großen Respekt vor ihren Leistungen. Ich kann mir das nun ein wenig vorstellen, wie sich Humboldt gefühlt haben mag.
Als es nachlässt gehe ich weiter. Die Kilometer wollen nicht weichen. Von der Krempe meines Hutes fallen die Tropfen. Der Rücken und die Schultern schmerzen. Die aufgeweichten Füße in den nassen Schuhen auch. Ich trotte dahin. Alle zwei Kilometer muss ich den Rucksack absetzen. Um wieder aufzustehen schnalle ich mir im Sitzen den Rucksack um, drehe mich auf meine Knie und wuchte ihn dabei auf meinen Rücken, greife nach den Stöcken und drücke mich in den Stand. Meine Hose ist durch diese Prozedur auch schon längst nass und dreckig. Das Navi hat kaum mehr Kontakt zu Satelliten. Mein Kopf ist leer. Manchmal meine ich Kirchen- oder Kuhglocken zu hören…wohl akustische Halluzinationen. Eine Melodie geht mir nicht mehr aus dem Kopf und ich summe sie ständig aufs Neue vor mich hin… aber mir will nicht einfallen welches Lied es ist.
Immer wieder Regen. Ich habe mir vorgenommen heute möglichst weit zu kommen. Denn dann will ich morgen Zelt und Rucksack als Basiscamp stehen lassen, und den Berg nur mit leichtem Gepäck besteigen.
Wieder Wasser. Ein Zufluss, den ich queren muss, nicht besonders tief. Der Regen hat nachgelassen und meine Bergschuhe trocknen langsam. Also probiere ich es mal mit meinen Sandalen durchs Wasser. Ich fülle meinen Wassersack auf und finde nicht unweit eine schöne Stelle für mein Zelt. Die Wolken brechen endlich auf und lassen die Sonnenstrahlen durch. Ich jubele. Ich verteile meine nassen Sachen zum trocknen auf den niederen Büschen und koche mir Nudeln mit Käsesauce. Schmeckt erstaunlich gut für so ein Fertiggericht aus der Tüte!
Sobald die Sonne untergeht falle ich in tiefen Schlaf…
7.Tag: Gipfelsturm
mein Reisebericht:
- Vorbereitungen
- 1.Tag: Ulaanbaatar
- 2.Tag: zum Tal der Schildkröte
- 3.Tag: zum Felsentempel
- 4.Tag: nach Terelj
- 5.Tag: und immer wieder durch den Fluss
- 6.Tag: immer wieder Regen
- 7.Tag: Gipfelsturm
- 8.Tag: Gefährliche Begegnung
- 9.Tag: Wunder-Wiesen-Welt
- 10.Tag: Reiter im Regen
- 11.Tag: der magische Felsen
- 12.Tag: Magic Mountain
- 13.Tag: vom Unwetter vertrieben
- 14.Tag: zur größten Statue der Welt
- 15.Tag: Schwarzmarkt und Feuerwerk
- letztes Abenteuer am Flughafen
- Fazit: zur Nachahmung empfohlen!
- Bei Schamanen in der Mongolei